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Hat Europa die Gaspreise nachhaltig in den Griff bekommen?

Aramis Zinke

Im Februar dieses Jahres entschieden sich die EU-Mitgliedsstaaten ihre Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern zu beenden. Dieses Vorhaben ist äußerst ambitioniert, Europa ist seit Jahrzehnten von russischen Rohstoffen abhängig. Insbesondere Gas gilt als problematische Energiequelle, schließlich kamen in den vergangenen Jahren ca. 40-50% der EU-Gasimporte ausschließlich aus Russland! Daher blicken wir in diesem Beitrag auf die europäische Gasversorgung und beurteilen, ob die Weichen für Energieunabhängigkeit gelegt werden konnten.

Der Winter 2022/23 als erste Bewährungsrobe

Der Sommer dieses Jahres war von Unsicherheiten geprägt: Die Gaspipelines aus Russland lieferten stetig weniger Energie, Expert/innen scheuten Prognosen, inwiefern die Gasversorgung in den EU-Mitgliedsstaaten für den Winter gesichert sei und die Gaspreise stiegen zu astronomischen Höhen. Inzwischen hat sich die Lage deutlich verbessert, statt 300€ pro Megawattstunde (MWh), hat sich der Preis auf etwa 100€ pro MWh stabilisiert. Dies ist durch eine Reihe von Maßnahmen begründet, welche auf der Nachfrageseite liegen: Energiesparvorgaben für EU-Mitgliedsstaaten, Aufklärungskampagnen und insbesondere steigende Preise resultierten in einem Rückgang von 13% beim Gasverbrauch. Auf der Angebotsseite konnte man vor allem durch den Kauf von LNG (=Flüssigerdgas) die mangelnden russischen Pipelineimporte kompensieren. Dies führte zu Konsens unter Expert/innen, dass es diesen Winter wahrscheinlich zu keinen signifikanten Gasversorgungsengpässen kommen wird.

Bei LNG handelt es sich um Erdgas, welches auf ca. -160 °C heruntergekühlt wurde, und sich somit in flüssigem Zustand befindet. Somit kann Gas nicht nur über Pipelines, sondern ebenfalls durch Frachter kommerziell transportiert werden. LNG ermöglicht den flexiblen Export von Gas, jedoch gilt der Aufbereitungsprozess als kostspielig.

Ist die Gaskrise gelöst?

Angesichts des Umstands, dass es der EU kurzfristig gelungen ist die fehlenden Gasimporte auszugleichen, könnte man annehmen, die Versorgung sei für die nächsten Jahre ebenfalls gesichert. Jedoch ist folgender Umstand zu beachten: Der Union ist es ironischerweise gelungen Versorgungssicherheit herzustellen, weil Russland weiterhin eine erhebliche Menge Gas geliefert hat. Einerseits blieben ungefähr 25% der Gasimporte durch Pipelines erhalten, andererseits importierte die Union erhebliche Mengen an russischem LNG. Tatsächlich sind russische LNG-Exporte in die Europäische Union wesentlich gestiegen! Zwischen März und Oktober 2021 hat die EU 9,8 Tonnen LNG aus Russland importiert, in derselben Periode dieses Jahres waren es 11,8 Tonnen LNG. Europa bleibt damit weiterhin von russischem Gas abhängig: Das Aussetzen von Gaslieferungen durch den Kreml könnte bereits ab dem Frühling nächsten Jahres zu Engpässen führen.

Ausblick in die Zukunft

Trotz diverser Maßnahmen, hohen Investments und einem milden Winter konnte das Problem der russischen Gasabhängigkeit nicht gelöst werden. Laut Expert/innen wird die EU mindestens bis einschließlich Winter 2022/23 auf russisches Gas angewiesen sein, weswegen auch weiterhin keine Sanktionen in diesem Bereich erwartet werden. Russland bleiben damit einige Hebel erhalten. Der Kreml kann Gasexporte einstellen oder Gasinfrastruktur (wie etwa Offshore-Pipelines) sabotieren.

Somit werden uns Diskussionen rund um Engpässe und Gaspreise jenseits des Vorkrisenniveaus in den kommenden 2-3 Jahren vermutlich erhalten bleiben. Für die darauffolgenden Jahre lässt sich ein wesentlich positiveres Resümee ziehen. Ab 2026 starten neue LNG-Projekte in den USA und in Katar, dies wird eine deutliche Entspannung für die Märkte bringen. Daneben setzen ab dieser Periode einige LNG-Lieferverträge ein, welche seit den vergangenen Monaten aufgrund des Ukraine Konflikts ausgearbeitet werden. Laut dem World Energy Outlook 2022, dem vermutlich bedeutendsten Report für die Energiebranche, steigen zudem die Investitionen in erneuerbare Energien aufgrund der aktuellen Energiekrise deutlich an. Die Diversifizierung von Energiequellen und die gesteigerte lokale Produktion durch erneuerbare Energieträger werden die europäische Energiesicherheit wesentlich verstärken, wenngleich dieser Wandel nicht von heute auf morgen bewerkstelligt werden kann.